Neigt sich die Kindergartenzeit dem Ende zu, steht die Einschulung bevor. Dann heißt es bald stillsitzen, aufmerksam zuhören und viel lernen. Jedes Kind merkt, dass der Schulstart ein wichtiger Schritt ist und reagiert mitunter verunsichert. Die Eltern ebenso. Soll man das Kind zu Hause auf den Schulstart vorbereiten? Ist das überhaupt nötig oder reicht die Vorbereitung im Kindergarten aus?
Silvia Antonicek leitet den Evangelischen Kindergarten Gumpendorf. Im Interview erzählt sie, welche Kriterien bei der Schulfähigkeit berücksichtigt werden, wie man Kinder schon im Kindergartenalter gut auf die Schule vorbereiten kann, und wie Eltern mit ihrer Haltung zu einem entspannten Schulstart beitragen können.
Was müssen Kinder können, wenn sie in die Schule kommen? Gibt es ein Basiswissen, welches vorausgesetzt wird?
Silvia Antonicek (S.A.): Üblicherweise wird bei der Schuleinschreibung auf die Entwicklung von vier verschiedenen Bereichen geachtet. Im mathematisch-naturwissenschaftlichen Gebiet wird etwa geschaut, ob die räumliche Wahrnehmung entwickelt ist und ob das Kind Mengen und Maße erfassen und unterscheiden kann. Die Entwicklung der Psychomotorik kann auf ganz unterschiedliche Weisen festgestellt werden, vom Stiegen-Steigen über die Handhabung einer Schere bis hin zur richtigen Stifthaltung. Im sprachlichen Bereich sieht sich die Schulleitung vielleicht an, ob das Kind eine kurze Geschichte nacherzählen oder Reimwörter finden kann. Und nicht zuletzt versucht die Schulleitung auch einen Eindruck zu bekommen, wie selbständig das Kind ist, ob es seine Emotionen regulieren kann und ob es bereits eine gewisse Kooperations- und Konfliktfähigkeit an den Tag legt.
Kann man das Kind irgendwie auf die Schule vorbereiten?
S.A.: Ja, auf alle Fälle! Mein Kindergarten arbeitet zum Beispiel eng mit der Evangelischen Volksschule Gumpendorf zusammen. Eine unserer Kindergartengruppen befindet sich sogar im Schulgebäude. Die Kinder lernen so die Lehrer:innen kennen, können sich die Klassenräume ansehen und bekommen schon lange vor der Einschulung einen Einblick in den Volksschulalltag.
Im Kindergarten kann man mit den Kindern üben, die Konzentration zu halten: Wir bieten eine Konzentrationsphase, in der die Kinder lernen, auf ihrem Platz sitzen zu bleiben, einen kleinen Arbeitsauftrag zu erfüllen und diesen auch zu Ende zu bringen. Jedes Kind besitzt schon sein eigenes Federpennal und lernt sorgsam mit seinen Sachen umzugehen. Alle Aspekte, die eine Schulreife voraussetzen, werden in unserem Kindergartenalltag berücksichtigt.
Was ist mit Rechnen oder Schreiben?
S.A.: Wir üben mit den Kindern das Erfassen von Mengen und das Zählen im Zahlenraum 10. Das alles machen wir ganz spielerisch und mit unterschiedlichsten Materialen. Wir üben, dass Kinder ihren eigenen Namen schreiben können. Wenn das noch zu schwierig ist, machen wir Schwungübungen, die eine gute Vorbereitung auf das Schreiben sind. Es ist uns wichtig, dass wir hier keinen Druck auf die Kinder ausüben. Aber wenn die Kinder das Bedürfnis haben, Buchstaben und Zahlen näher kennen zu lernen, dann bieten wir ihnen die Möglichkeit dazu.
Gibt es etwas, das man bei seinem Kind vor dem Schulstart besonders fördern sollte?
S.A.: Hier kann ich nur empfehlen: Suchen Sie das Gespräch mit dem:der Elementarpädagog:in Ihres Kindes. Nicht nur Kinder, sondern auch Eltern sind oft aufgeregt und verunsichert, wenn der Übergang zur Schule bevorsteht. Allfällige Fragen, Ängste und Unsicherheiten sollten besprochen werden, so dass Eltern und Kinder dem Schuleintritt positiv und entspannt entgegentreten können. Und falls es noch in dem ein oder anderen Bereich zusätzliche Förderung braucht, so werden das die Pädagog:innnen rückmelden und unterstützend mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Wie selbständig sollten Schulanfänger sein?
S.A.: Alltägliche Aufgaben wie das Anziehen, auf die Toilette gehen, Zähne putzen, Ordnung halten in den persönlichen Dingen sollten die Kinder können. Aber keine Panik: Gerade in der ersten Klasse gibt es von den Klassenlehrer:innen noch viel Unterstützung im Bereich der Organisation und Orientierung.
Woran bemerkt man, wenn Kinder noch nicht bereit für die Schule sind? Und was kann man dann tun?
S.A.: Durch genaues Beobachten können die Elementarpädagog:innen sehr gut einschätzen, ob bei einem Kind noch zusätzlicher Förderbedarf besteht. Die Entwicklungsgespräche im Kindergarten sind ein wichtiger Termin, bei dem Eltern (bzw. die jeweiligen Obsorgeberechtigten) mit dem oder der Pädagog:in des Kindes Beobachtungen austauschen können.
Was wünschen Sie sich von den Eltern zukünftiger Schulanfänger?
S.A.: Ich wünsche mir, dass Eltern keine unrealistischen Ansprüche an ihre Kinder stellen und bei ihnen auch keinen Erwartungsdruck erzeugen. Der Schulstart ist ein großer Moment, und dabei soll die natürliche Freude und Neugierde auf die Schule im Vordergrund stehen.